Unsere Andacht zum Monatsspruch
Liebe Leserinnen und Leser, vor Jahren lernte ich einen Kollegen kennen, der damals auf einer Fortbildung – ganz spontan - einen freien Abend mit Bildern von seinem Hobby gestaltet hat. Er selbst ist leidenschaftlicher Kanufahrer. Oft fährt er mit seiner Frau in ihrem alten VW-Bus an alle möglichen, bzw. unmöglichen Gewässer – stehend, fließend - um zu paddeln.
Am aufregendsten, schmunzelte er, war es auf der Elbe vor Stade, bei Eisgang…
Am Ende des Abends sagte ich spontan zu ihm Du bist begnadet, nachdem wir die wundervollen Fotos betrachtet haben, die er in seiner Freizeit einfach so schoss. Er war weder Fotograf, noch hatte er je einen Fotokurs besucht. Aber er hatte einen Blick für bemerkenswerte Kleinigkeiten, für Stimmungen und Ansichten.
Und er besaß noch eine weitere Gabe: er konnte wunderbar am Klavier improvisieren. Und diese Talente brachte er in unsere Gruppe ein und schenkte uns dadurch eine lebendige und fröhliche Zeit.
In gewisser Weise tat er genau das, wozu der Kirchenvater im 1. Petrusbrief die Christinnen und Christen in den jungen Gemeinden aufruft, und was uns als Monatsspruch durch den Mai begleitet: Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat! (1.Petrus 4,10).
Zwei Dinge höre ich heraus: Dient einander, und - mit der Gabe, die er empfangen hat (wörtlich zur Verfügung gestellt bekommen hat).
Gaben sind nichts, was ich mir verdient habe, oder was mir allein gehört. Aber manche Menschen geben immer wieder mit Ihren Gaben an und nutzen Sie in erster Linie zu ihrem eigenen Vorteil.
Andere wiederum setzen ihre Gaben und Talente in einer Weise ein, dass sie sie mit anderen teilen. Sie behalten sie nicht für sich und schauen auch nicht auf den eigenen Vorteil.
Gaben, wörtlich Gnadengaben – sie sind nicht alltäglich, und auch nicht selbstverständlich. Wer sie hat, ist damit beschenkt. Denn - Gnade ist immer ein Geschenk und bewirkt gelingendes Leben, Lebendigkeit und Hoffnung.
Dort, wo Menschen das, was ihnen anvertraut und gegeben ist, nicht nur für sich einsetzen, sondern großzügig weitergeben, verschenken, wirken diese Gaben weiter. Überwinden Grenzen und führen Menschen zueinander
Wir spüren das in dieser Corona-Zeit ganz besonders. Angefangen mit Gesang von Balkonen, bis hin zu Videobotschaften und Auftritten ganzer Orchester von zu Hause aus. Menschen entwickeln auf einmal überall viel Fantasie und Kreativität, um mit den Herausforderungen der Pandemie umzugehen. Da lernt z.B. eine Schülerin Masken zu nähen, nicht nur in schwarz- weiß, sondern mit lustigen Mustern, die beim Betrachten ein Strahlen in die Augen zaubern.
Andere erstellen Apps, die helfen, sich zu orientieren. Wieder andere machen Einkaufsangebote für Menschen, die nicht aus dem Haus können. Nachbarschaftshilfe blüht.
Ein Musikschullehrer hat einen kostenlosen Online- Kurs für Ukulele geschaltet, für den sich nicht nur Menschen aus der Region, sondern der ganzen Welt begeistern, mit dem Ziel, ein gemeinsames Konzert zu veranstalten.
Da wird vorgelesen oder gebastelt. Andere schreiben Theaterstücke und zeigen sie im Netz. Briefe gegen Einsamkeit werden geschrieben oder Hoffnungstüten verteilt.
Menschen denken sich Überraschungen aus, um andere – manchmal völlig unbekannte - Menschen zu erfreuen. Da kommen Gaben zum Vorschein, die lange vergessen waren, oder derer man sich überhaupt noch nicht bewusst war, und helfen anderen durch diese schwierige Zeit hindurch. Auf einmal kommen sich Menschen selbst auf Abstand nahe, und werden im Herzen angerührt.
Liebe Leserinnen und Leser. Ich erkenne in all dem wieder, was der Kirchenvater vor Jahrhunderten an die jungen christlichen Gemeinden weiter geben wollte: als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes zu wirken, indem sie ihre Gaben und Talente entdecken, pflegen und - für andere - einsetzen. Und das hat Wirkung: Menschen entdecken einen Sinn in ihrem Tun und verhelfen anderen zu ein wenig Hoffnung. Und genau auf diese auf diese Weise geschieht es, dass – in dem von der Pandemie geprägten Alltag - einer dem anderen zum Engel wird. Ist das nicht Gnade?