Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn; denn wenn´s ihr wohl geht, so geht´s auch euch wohl. (Jeremia 29,7)
Suchet der Stadt Bestes heißt es in dem Monatsspruch für Oktober. Ein Aufruf, der das Volk Israel mitten in der Gefangenschaft erreicht.
Damals, in der Zeit vor der Gefangenschaft, war das eine Aufgabe, die die Menschen in Jerusalem, gerne und gut erfüllen konnten. Dort hatten sie Verantwortung übernommen, die Stadt aufgebaut, ihre Kompetenzen eingebracht, Karriere gemacht. Und jetzt sitzt die einstmals erfolgreiche Führungselite in der Fremde, besiegt und verschleppt. Und sie schauen zurück und trauern, und fragen: Wie lange noch? Wann ist das hier endlich vorüber? Wann wird das Leben wieder normal?
Schnell ist man dabei, sich gegenseitig zu versichern: Kopf hoch! Schon bald wird Gott uns aus dieser Situation herausführen. Er wird uns in unsere Heimat, in unseren Alltag zurückbringen. Das klingt gut in den Ohren der Gefangenen.
Anders der Prophet Jeremia. Er macht keine falschen Versprechungen. Er sagt, was wahr ist – auch wenn es weh tut. Denn nur die Wahrheit eröffnet neue Perspektiven.
Also sagt Jeremia - so schnell geht das nicht. Wer etwas anderes behauptet, der lügt. Es wird kein schnelles Ende geben. Richtet euch lieber ein, baut Häuser, legt Gärten an, bringt euch ein mit euren Kompetenzen - hier und jetzt, im Exil. Denn erst nach 70 Jahren werdet ihr nach Jerusalem zurückkehren.
Das sind keine gefälligen Worte. Aber Jeremia eröffnet – durch die Wahrheit - eine Perspektive der Hoffnung: Die Zeit im Exil wird keine verlorene Zeit sein. Vertraut nur. Gott ist die Situation nicht entglitten.
In Krisenzeiten geht der Blick oft zurück, und es wird nach Ursachen gefragt. Oder der Blick geht weit nach vorn und es scheint, dass normales Leben erst dann wieder möglich ist, wenn die Zeit der Krise vorüber ist.
Im Vertrauen darauf, dass Gott jede Situation in seinen Händen hält, und dass er eine Zukunft zusagt, ist aber ein Handeln schon im Hier und Jetzt angesagt. Bezogen auf die biblische Geschichte heißt das: sorgt dafür, dass das Leben weiter geht und lebt es jetzt, hier, an genau diesem Ort, zu diesem Zeitpunkt.
Das Leben wird in der Krise gestaltet, nicht erst danach. Denn nur so kann es - Schritt für Schritt – wieder aus der Krise gehen. Nur so kann eine neue Normalität entstehen. Und in der Krise entsteht nicht selten auch eine neue Weltsicht, entsteht ein neues, tieferes Gottesverständnis.
Das ist auch das, was uns angesichts der Corona-Pandemie zu wünschen ist. Jede Krise ängstigt und ermutigt. Gleichzeitig fordert sie heraus, neu danach zu suchen, was wirklich trägt.
Es gibt keine schnellen Antworten. Aber es gibt Spielraum zum Handeln. Und daraus entsteht Hoffnung.